Systematische Evidenzbasierung: Einführung

Bei der systematischen Evidenzbasierung geht es um die systematische Recherche, Auswahl, Bewertung und Aufarbeitung der verfügbaren Evidenz zu festgelegten klinischen und für die betroffenen Patient*innen/Bürger*innen relevanten Fragestellungen.

Formulierung von klinisch relevanten Fragestellungen (1)

Diese werden im Vorfeld von der Leitliniengruppe erarbeitet und sollen durch Empfehlungen beantwortet werden, als deren Grundlage systematische Übersichtsarbeiten – ohne oder mit Metaanalysen – recherchiert oder selbst erstellt werden. Letztere können zusätzlich zur Leitlinie selbst publiziert werden.

Verhältnis von evidenzbasierten und konsensbasierten Empfehlungen bei S3- und S2e-Leitlinien

Die AWMF-Leitlinienkommission empfiehlt bei formal evidenzbasierten Leitlinien (S3 und S2e) einen Anteil von evidenzbasierten Empfehlungen von >50%. „Evidenzbasiert“ ist eine Empfehlung dann, wenn die zugrundeliegende Evidenz für die Fragestellung der betreffenden Empfehlung systematisch gesucht wurde, der Studieneinschluss anhand prospektiv festgelegter Ein- und Ausschlusskriterien erfolgte, eine kritische Bewertung der Aussagesicherheit der Studien erfolgte und ein Evidenz- oder Qualitätsgrad vergeben wurde. Auch die Dokumentation der Schritte Recherche, kritische Bewertung, Vergabe eines Evidenz- oder Qualitätsgrades gehört dazu. Die Studieninhalte sind entweder im Hintergrundtext oder ergänzend in Evidenztabellen darzulegen. Im Ergebnis einer formalen Evidenzbasierung wird die Qualität der publizierten Evidenz zu einer Fragestellung transparent.

Evidenzbasierte Leitlinienempfehlungen in S3-Leitlinien: AWMF-Regelwerk und Empfehlungen der AWMF-Leitlinienkommission

AWMF-Regel für das Leitlinienregister: Klassifikation S2- und S3-Leitlinien (Auszug):

Handelt es sich um eine S2e- oder S3-Leitlinie

  • ist eine systematische Recherche, Auswahl und Bewertung wissenschaftlicher Belege (Evidenz) zu den relevanten klinischen Fragestellungen erforderlich.
  • werden zur Suche nach der Evidenz systematische Methoden angewandt, d.h. die Suchstrategie ist detailliert beschrieben mit der Auflistung der verwendeten Suchbegriffe und Quellen (wie elektronische Datenbanken, Datenbanken systematischer Übersichtsarbeiten oder für Leitlinien, von Hand durchsuchte Fachzeitschriften oder Kongressberichte), Zeitraum der Literatursuche und Trefferzahlen (s. AGREE II, Kriterium 7).
  • werden die Auswahlkriterien für die Evidenz explizit dargelegt. Dabei werden Gründe für den Einschluss (Zielpopulation, Studiendesign, Vergleiche, Endpunkte, Sprache, Kontext) und für den Ausschluss dargelegt (s. AGREE II, Kriterium 8).
  • wird die nach a priori festgelegten Kriterien recherchierte und ausgewählte Evidenz hinsichtlich ihrer methodischen Qualität kritisch bewertet und die Ergebnisse in einer Evidenz-Zusammenfassung dargelegt. Dies kann in Tabellenform mit Kommentaren zu Qualitätsaspekten oder durch die Anwendung von formalen Instrumenten oder Strategien, z.B. Cochrane Risk-of-Bias Tool, GRADE (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation)-Methodik, erfolgen (s. AGREE II, Kriterium 8+9).
  • führt das Ergebnis der Bewertung zur Feststellung des Vertrauens in die Qualität der Evidenz („Evidenzgrad“).
  • sind die Empfehlungen mit der Beschreibung der zugrunde liegenden Evidenz in einem entsprechenden Abschnitt (Hintergrundtext) und/oder einer Evidenzzusammenfassung mit Referenzliste nachvollziehbar verknüpft (s. AGREE II, Kriterium 12).

Bezug zum AGREE II-Instrument

Domäne 3: Genauigkeit der Leitlinien-Entwicklung

Kriterium 7: Es wurde systematisch nach Evidenz gesucht.

Kriterium 8: Die Kriterien für die Auswahl der Evidenz sind eindeutig beschrieben.

Kriterium 9: Die Stärken und die Schwächen der Evidenz sind eindeutig beschrieben.

Kriterium 12: Die zugrunde liegende Evidenz kann den Empfehlungen eindeutig zugeordnet werden.

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