Planung der Aktualisierung

Die Qualität einer Leitlinie hängt maßgeblich davon ab, ob die Empfehlungen in regelmäßigen Abständen auf Aktualität geprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Ein konkretes Datum und Aussagen zur weiteren periodischen und ggf. anlassbezogenen Aktualisierung mit entsprechenden Zuständigkeiten sollen im Leitliniendokument vermerkt werden.

Der Bedarf einer Fortschreibung und Aktualisierung einer Leitlinie ergibt sich aus der Verfügbarkeit neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse einerseits und aus den Ergebnissen der Evaluierung der bisherigen Leitlinienanwendung andererseits. Beide dienen der Identifizierung von Verbesserungspotenzialen der Versorgung.

Ausgangspunkt ist dementsprechend eine Bestands- und Bedarfsanalyse zur Identifizierung überarbeitungsbedürftiger Themenbereiche. Die methodischen Anforderungen ergeben sich aus den Anforderungen an Leitlinien nach dem AWMF-Regelwerk.

Die Aktualisierung kann partiell – nur für ausgewählte Bereiche- oder komplett durchgeführt werden (1). Bei einer partiellen Aktualisierung überprüft die Leitliniengruppe vor Einreichung die Gültigkeit der nicht aktualisierten Teile und bestätigt diese für einen entsprechenden Zeitraum (2).

Living Guideline

Um Leitlinien kontinuierlich aktuell zu halten, kann das Vorgehen in Form einer „Living Guideline“ genutzt werden, hier erfolgt mindestens einmal jährlich eine Aktualisierung.
In der aktualisierten Leitlinie sollten die wichtigsten Neuerungen zu Beginn dargelegt („Was gibt es Neues?“) und die Empfehlungen mit “geprüft‘, ‚modifiziert‘ und ‚neu‘ und Angabe der Jahreszahl gekennzeichnet werden (3, 4). Das methodische Vorgehen wird im Leitlinienreport ergänzt (5).

AWMF-Regel für das Leitlinienregister: Löschung nicht aktualisierter Leitlinien bei der AWMF (Auszug) und Einreichung zur Publikation bei der AWMF (Auszug):

Leitlinien, deren Gültigkeit (entsprechend dem in der Leitlinie angegebenen Gültigkeitszeitraum) abgelaufen ist und für die keine Aktualisierung angemeldet wurde, werden komplett aus der elektronischen Publikation über das Informationssystem der AWMF entfernt.

Der maximale Gültigkeitszeitraum beträgt 5 Jahre ab Verabschiedung durch die beteiligte(n) Fachgesellschaft(en) und Organisation(en).

Handelt es sich um eine S2k-, S2e- oder eine S3-Leitlinie:
sind Angaben zum Gültigkeitszeitraum und zur Aktualisierung der Leitlinie vorhanden (siehe AGREE II, Kriterium 14) und ist ein/e Ansprechpartner*in für die Aktualisierung benannt. Für „Living Guidelines“ sind die geplanten Aktualisierungszeiträume benannt, diese betragen höchstens 12 Monate.

Bezug zum AGREE II-Instrument:

Domäne 3: Genauigkeit der Leitlinien-Entwicklung

Kriterium 14: Es existiert ein Verfahren zur Aktualisierung der Leitlinie.

Hilfen und Tipps:

Aktuelle Forschungsergebnisse oder Erkenntnisse aus der Versorgung können eine kurzfristige Aktualisierung von Empfehlungen einer gültigen Leitlinie notwendig machen. Darüber kann die Öffentlichkeit kurzfristig in Form eines Addendums/Amendments über die AWMF-Homepage informiert werden.

Die Aktualisierung ist am einfachsten, wenn die ursprüngliche Leitlinie systematisch erstellt wurde. Recherchen und Strategien zur Beantwortung klinisch relevanter Fragestellungen lassen sich aufbewahren und ggf. wiederverwenden. Für die Aktualisierung einer Leitlinie werden die Recherchen überprüft und ggf. angepasst und müssen dann lediglich den Zeitraum nach Herausgabe der früheren Leitlinienversion abdecken.

„Living Guideline“

Bei „Living Guidelines“ werden die Aktualisierungen im Abstand von höchstens einem Jahr vorgenommen. Ideal ist das Erarbeiten von „Living Systematic Reviews“ als Grundlage für die Leitlinienempfehlungen. Zusätzlich sollte die Aktualisierung von Leitlinienempfehlungen bei Verfügbarkeit neuer wissenschaftlicher oder Versorgungs-Erkenntnisse auch unterjährig geprüft werden.

Auch eine systematische Prüfung des Überarbeitungsbedarfs mit dem Ergebnis, dass keine Änderungen erforderlich sind, gilt als Aktualisierung. Hilfreich ist eine kriteriengestützte Prüfung und ein Ranking der zu aktualisierenden Inhalte, z.B. unter Nutzung der "UpPriority"-Checkliste der GIN Arbeitsgruppe zur Aktualisierung (6).

Tabelle 7: Aktualisierungsoptionen nach dem AWMF-Regelwerk

Der Umfang der Überarbeitung (partiell, komplett, „Living Guideline“ oder auf einzelne Fragestellungen bezogen) richtet sich nach ggf. bereits erfolgter kurzfristiger Aktualisierung, nach dem Ergebnis aktueller, relevanter Forschungsergebnisse aus der systematischen Recherche und der Einschätzung der Expert*innen in der Leitliniengruppe (siehe auch Tab. 7). Für „Living Guidelines“ sollte jeweils die Gültigkeit aller Empfehlungen geprüft bzw. bestätigt werden, auch wenn nur wenige Empfehlungen modifiziert werden.

Neben den gezielten Rückmeldungen aus der Praxis zu Erfolgen oder Problemen bei der Umsetzung der Leitlinie sind Bestandsanalysen, Bedarfsanalysen und Priorisierung unerlässlich. Dafür sollten folgende Fragestellungen beantwortet werden:

  • Wer übernimmt die Verantwortung für die Überwachung und Einleitung der Aktualisierung unserer Leitlinie?
  • Was hat unsere Leitlinie bewirkt?
  • Welche Fragestellungen sind neu?
  • Gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die Veränderungen an den Empfehlungen erforderlich machen?
  • Gibt es Fragestellungen, für die eine systematische Literatursuche und Aufbereitung der Evidenz notwendig sind?
  • Welche Ressourcen stehen der Leitliniengruppe zur Aktualisierung zur Verfügung?

Bei den Aktualisierungen der Leitlinie sollten diese Fragen jeweils geprüft werden.

Abbildung 22: Qualitätsmanagement für die Fortschreibung und Aktualisierung von Leitlinien in Anlehnung an Albert et al. 2008. Die Leitlinie Brustkrebsfrüherkennung in Deutschland - Methodik der S3-Leitlinien-Aktualisierung (7)

Literatur

  1. Becker M, Neugebauer EA, Eikermann M. Partial updating of clinical practice guidelines often makes more sense than full updating: a systematic review on methods and the development of an updating procedure. J Clin Epidemiol. 2014 Jan;67(1):33-45.
  2. Martinez Garcia L, Sanabria AJ, Garcia Alvarez E et. al. The validity of recommendations from clinical guidelines: a survival analysis. CMAJ. 2014 Nov 4;186(16):1211-9.
  3. Akl E, Meerpohl J, Elliot J. Living systematic reviews: 4. Living guideline recommendations. J Clin Epidemiol. 2017 Nov;91:47-53.
  4. McMaster University. G-I-N McMaster Guideline Development Checklist - 18. Updating. Verfügbar: https://cebgrade.mcmaster.ca/guidelinechecklistonline.html#Updatingtable (Zugriff 08.05.2023)
  5. Vernooij RW, Alonso-Coello P, Brouwers M, Martínez García L, Panel C. Reporting Items for Updated Clinical Guidelines: Checklist for the Reporting of Updated Guidelines (CheckUp). PLoS medicine. 2017;14(1):e1002207.
  6. Sanabria AJ, Pardo-Hernandez H, Ballesteros M, Canelo-Aybar C, McFarlane E, Nino de Guzman E, et al. The UpPriority tool was developed to guide the prioritization of clinical guideline questions for updating. J Clin Epidemiol. 2020;126:80-92.
  7. Albert US, Schulz KD, Kopp I. Die Leitlinie "Brustkrebs-Früherkennung in Deutschland" Methodik der S3-Leitlinien-Aktualisierung. Prävention und Gesundheitsförderung. 2008;3(3):163-71.

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