Von der Planung bis zur Publikation
AWMF-Regelwerk Leitlinien
(Version 2.1 vom 05.09.2023)
Das AWMF-Regelwerk ist die Leitlinie zur Erstellung und Publikation aktueller und hochwertiger Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften im AWMF- Leitlinienregister. Es dient zum einen der Sicherstellung und Darlegung der Qualität der einzelnen Leitlinien und zum anderen der Qualität des AWMF-Leitlinienregisters. Es besteht daher aus zwei Teilen:
- Hilfen für die Leitlinienentwicklung
- AWMF-Regeln für das Leitlinien-Register
Das AWMF-Regelwerk wird nach Bedarf fortgeschrieben. Kommentare sind ausdrücklich erwünscht und können gerichtet werden an:
0. Einführung: Was sind Leitlinien?
Leitlinien sind systematisch entwickelte Aussagen, die den gegenwärtigen Erkenntnisstand wiedergeben, um die Entscheidungsfindung von Ärzt*innen sowie Angehörige von weiteren Gesundheitsberufen und Patient*innen/Bürger*innen für eine angemessene Versorgung bei spezifischen Gesundheitsproblemen zu unterstützen. Sie sollten auf einer systematischen Sichtung und Bewertung der Evidenz und einer Abwägung von Nutzen und Schaden alternativer Vorgehensweisen basieren (1, 2).
Leitlinien sind wichtige Instrumente der Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen (3, 4). Ihr vorrangiges Ziel ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung durch die Vermittlung von aktuellem Wissen, das vorzugsweise systematisch recherchiert und kritisch bewertet wird (5-7).
Leitlinien unterscheiden sich von anderen Quellen aufbereiteten Wissens (systematische Übersichtsarbeiten, Health Technology Assessments (HTA) mit oder ohne Metaanalysen) durch die Formulierung von klaren Handlungsempfehlungen, in die auch eine klinische Wertung der Ziele mit Relevanz für Patient*innen/Bürger*innen, Aussagekraft und Anwendbarkeit von Studienergebnissen eingeht (8-11).
Leitlinien sind als „Handlungs- und Entscheidungskorridore“ zu verstehen, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Die Anwendbarkeit einer Leitlinie oder einzelner Leitlinienempfehlungen muss in der individuellen Situation geprüft werden nach dem Prinzip der Indikationsstellung, Beratung, Präferenzermittlung und partizipativen Entscheidungsfindung (3, 12-16).
Literatur:
- Institute of Medcine (US). Clinical Practice Guidelines We Can Trust. Graham R, Mancher M, Wolman DM, Greenfield S, Steinberg E, editors. Washington (DC): The National Academies Press; 2011. 290 p.
- Quaseem A, Forland F, Macbeth F, Ollenschläger G, Phillips S, van der Wees P, et al. Guidelines International Network: Toward International Standards for Clinical Practice Guidelines. Annals of internal medicine. 2012;156(7):525-31.
- Grimshaw JM, Thomas RE, MacLennan G, Fraser C, Ramsay CR, Vale L, et al. Effectiveness and efficiency of guideline dissemination strategies. Health Technol Assess. 2004;8(6):iii-iv, 1-72.
- Nothacker M, Muche-Borowski C, Kopp IB. 20 Jahre ärztliche Leitlinien in Deutschland - was haben sie bewirkt? [Reflections on 20 years of clinical practice guideline programmes in Germany: what is their impact]. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2014;108(10):550-9.
- AGREE Collaboration. Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation ll - AGREE ll Instrument - Deutsche Version: AGREE NEXT STEPS Consortium; 2014. Verfügbar: https://www.agreetrust.org/wp-content/uploads/2014/03/AGREE_II_German-Version.pdf (Zugriff 08.05.2023)
- AGREE - Appraisal of Guidelines for Research & Evaluation ll - AGREE ll Instrument. Verfügbar: https://www.agreetrust.org/ (Zugriff 08.05.2023)
- Brouwers M, Kho ME, Browman GP, Burgers JS, Cluzeau F, Feder G, et al. AGREE II: Advancing guideline development, reporting and evaluation in healthcare. CMAJ. 2010;182(18):E839-42; doi:10.1503/090449.
- Guyatt G, Oxman AD, Akl EA, Kunz R, Vist G, Brozek J, et al. GRADE guidelines: 1. Introduction-GRADE evidence profiles and summary of findings tables. J Clin Epidemiol. 2011;64(4):383-94.
- Andrews JC, Schünemann HJ, Oxman AD, Pottie K, Meerpohl JJ, Coello PA, et al. GRADE guidelines: 15. Going from evidence to recommendation-determinants of a recommendation`sdirection and strength. J Clin Epidemiol. 2013;66(7):726-35.
- Andrews J, Guyatt G, Oxman AD, Alderson P, Dahm P, Falck.Ytter Y, et al. GRADE guidelines: 14. Going from evidence to recommendations. J Clin Epidemiol. 2013;66(7):719-25.
- Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (2010). Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien. Methoden-Report. 5. Auflage. Verfügbar: https://www.leitlinien.de/methodik/methodenreport/1-ziele-grundlagen (Zugriff 08.05.2023)
- Kopp I. Perspektiven der Leitlinienentwicklung und -implementation aus der Sicht der AWMF. Z Rheumatol. 2010;69:298–304.
- Wienke A. BGH: Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. GMS Mitt AWMF; 2008.
- Nölling T. Es bleibt dabei: Leitlinien sind nicht rechtlich verbindlich. GMS Mitt AWMF; 2014.
- SVR Gesundheit. Gutachten 2018 - Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheiitsversorgung. 2018. Verfügbar: https://www.svr-gesundheit.de/index.php?id=606 (Zugriff 08.05.2023)
- Kühlein T, Schaefer C, Leitlinien - die Kunst des Abweichens. Dtsch Arztebl. 2020;117(37):A 1696. Verfügbar: https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=215464 (Zugriff 08.05.2023)
2. Planung und Organisation
- Begründung für die Auswahl / Aktualisierung eines LL-Themas
- Zielorientierung der Leitlinien
- Stufenklassifikation nach Systematik
- Zusammensetzung der Leitliniengruppe: Beteiligung von Interessengruppen
- Erarbeitung eines Projektablaufplans
- Finanzierungskonzept
- Formulierung von klinisch relevanten Fragestellungen
- Erklärung von Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten
- Hilfen und Tipps
3. Anmeldung beim AWMF-Leitlinienregister
Die Anmeldung des Leitlinienvorhabens bei der AWMF ist die Voraussetzung einer Aufnahme in das Leitlinienregister und späteren Publikation über das Informationssystem der AWMF (siehe Anhänge 5 und 6). Dies betrifft Neuerstellungen oder Aktualisierungen von Leitlinien - als komplette oder partielle Aktualisierung oder in Form einer Living Guideline mit festgelegtem Aktualisierungszeitraum von maximal einem Jahr
Die Anmeldung dient der Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit in Leitliniengruppen und der Vermeidung ungeklärter Widersprüche oder Doppelungen in verschiedenen Leitlinien zu verwandten Themengebieten. Themenverwandte Leitlinien können Leitlinien-Nutzenden zur weiterführenden Information dienen.
Durch die frühzeitig im Netz veröffentlichte Anmeldung können sich weitere interessierte Fachgesellschaften und Organisationen informieren und sich bei den Leitlinien- Koordinierenden zur Mitarbeit melden. Im Rahmen der Pflege des Leitlinienregisters werden alle Anmeldungen durch das AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement (IMWi) im Vier-Augen-Prinzip gesichtet.
AWMF-Regel für das Leitlinienregister: Anmeldeverfahren für Leitlinien in Planung und Entwicklung (Auszug):
- Die Anmeldung soll zu Beginn des Leitlinienprojekts erfolgen bzw. zu dem Zeitpunkt, an dem die eingeladenen Mitglieder ihre Teilnahme am Leitlinienprojekt gegenüber den Koordinierenden bestätigen.
- Anmeldungen von Leitlinienvorhaben erstellen Sie unter Leitlinienanmeldung Online
- Den Angaben auf die Frage zu möglichen thematischen Überschneidungen oder Doppelungen im Anmeldeformular wird besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Verschiedene Leitlinien für dieselbe Versorgungssituation (Krankheit/Symptom oder Maßnahme) und dieselbe Anwender*innenzielgruppe (Fachgebiete etc.) werden nicht in das AWMF-Leitlinien-Register aufgenommen. Vorübergehend können in begründeten Fällen für verschiedene Anwender*innenzielgruppen verschiedene Leitlinien für dieselbe Versorgungssituation erstellt werden. Allerdings müssen diese an den Nahtstellen und in der Versorgungskontinuität widerspruchsfrei sein. Ziel sollte es sein, zu einem Thema nur eine Leitlinie zu führen.
- Für „Living Guidelines“ sind die geplanten Aktualisierungszeiträume benannt, diese betragen höchstens 12 Monate.
Bitte speichern Sie die Datei mit dem Anmeldebogen auf Ihrer Festplatte und öffnen sie anschließend mit Ihrem Textverarbeitungsprogramm. Dann füllen Sie bitte den Bogen vollständig aus und speichern die Datei auf Ihrer Festplatte wieder im RTF-Format. Bitte senden Sie anschließend die gespeicherte RTF-Datei als Mail-Anhang (als „attachment“, nicht in den Textbereich der eMail eingebunden!) per E-Mail an uns.
Bezug zum AGREE II-Instrument
kein
Hilfen und Tipps
Die AWMF bietet allen Mitgliedsgesellschaften eine kostenfreie Erstberatung zur Planung und Anmeldung eines Leitlinienvorhabens an. Interessierte können sich an uns wenden.
Die Anmeldung kann durch Einzelpersonen (z.B. Initiierende*r / federführende*r Autor*in / Leitlinienkoordinierende) erfolgen. Die Leitlinienbeauftragten und/oder das Leitliniensekretariat der Fachgesellschaft werden entsprechend von der anmeldenden Person informiert.
Bei Aktualisierungen, die als partiell angegeben werden, ist es für die Nutzenden hilfreich, wenn in der Anmeldung die Teile benannt werden, die aktualisiert werden. Eine Anmeldung als „Living Guideline“ kann für bis zu fünf Jahre eingereicht werden, dabei ist der jährliche Überprüfungszeitpunkt/-zeitraum zu nennen (z.B. „die Leitlinie wird jährlich bis August überprüft“) – siehe auch „Planung der Aktualisierung“. „Living Guideline“ sollte im Titel genannt werden.
Eine ausführliche Ausfüllhilfe steht hier für Sie zum Download bereit:
An alles gedacht?
- Ist das Anmeldeformular vollständig ausgefüllt?
- Anmeldende Fachgesellschaft (en): Ist darunter mindestens eine Mitgliedsgesellschaft der AWMF?
- Stimmen Adressat*innen und beteiligte Fachgesellschaften überein?
- Stimmt die geplante Klasse mit der geplanten Methodik überein?
- Wurden die Verbindungen zu anderen Leitlinien geprüft und angegeben, um Doppelungen und ungeklärte inhaltliche Widersprüche zu vermeiden
- Einreichung der Anmeldung über anmeldung@awmf-leitlinien.de
4. Leitlinien-Entwicklung
5. Redaktion
6. Implementierung und Evaluierung
Fördermöglichkeiten für die Erstellung von Leitlinien
Bitte beachten Sie außerdem Fördermöglichkeiten für Leitlinien entsprechend SGB V:
- Nach §92a: Förderung über den Innovationsfonds des G-BA für die (Weiter)Entwicklung von Leitlinien: jährliche Förderbekanntmachung zu Medizinischen Leitlinien (MedLL) für spezifische Themenfelder.
Die jeweiligen Förderbekanntmachungen finden Sie hier: https://innovationsfonds.g-ba.de/foerderbekanntmachungen/
- Nach §139b: Beauftragung des IQWiG für die Erstellung von Evidenzberichten zu ausgewählten Fragesstellungen durch das BMG als Grundlage für die (Weiter)Entwicklung von Leitlinien.
Interessenbekundungen zu diesem Verfahren sind kontinuierlich möglich.
Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.iqwig.de/presse/im-fokus/evidenzrecherchen/
Fragen zu den Fördermöglichkeiten und Interessensbekundungen richten Sie gerne an: imwi@awmf.org
Die MAGICApp zur Erstellung von Leitlinien
Die digitale Transformation verspricht disruptive Entwicklungen zur Verbesserung des medizinischen Wissensmanagements und der medizinischen Versorgung. Die AWMF verfolgt in diesem Kontext ein umfassendes, international abgestimmtes Projekt zur Digitalisierung von qualitätsgesichertem Leitlinienwissen.
Leitgedanke ist, für die Digitalisierung von Leitlinienwissen keine gänzlich eigenständige Lösung anzustreben, sondern die Nutzbarkeit vorhandener, digitaler Anwendungen zu erproben, denen bereits ein offen zugängliches Datenmodell zugrunde liegt. Dazu bietet die AWMF interessierten Leitliniengruppen der Wissenschaftlichen Fachgesellschaften aktuell in der AWMF ab sofort ein Nutzungskontingent für ein elektronisches Werkzeug zur Unterstützung der Entwicklung von Leitlinien an: MAGICapp.
Ein Erklärvideo zur MAGICApp finden Sie hier:
Von der Evidenz zur Empfehlung
Welche Empfehlungen sich aufgrund der gefundenen Studienevidenz treffen lassen, erklären wir in diesem Video:
Weitere Möglichkeit für Leitliniengruppen, sich ein eigenes EtD Framework selbst zu erstellen: