Stellungnahme zur GKV-Gesundheitsreform 2000 (August 1999)

Die AWMF hat den vom Bundesministerium für Gesundheit vorgelegten "Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform 2000)" in der Textfassung vom 24. 6. 1999 in einer außerordentliche Delegiertenkonferenz und einem anschließenden schriftlichen Anhörungsverfahren der Mitgliedsgesellschaften ausführlich beraten und nimmt wie folgt Stellung:

Grundsätzlich begrüßen die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, daß der Gesetzentwurf beabsichtigt, die Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung zu erhalten oder zu verbessern und einen effektiven Einsatz der verfügbaren Mittel zu fördern. Der Gesetzentwurf weist jedoch in einigen Bereich aus Sicht der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften Mängel auf, die vor einer Verabschiedung durch den Deutschen Bundestag behoben werden sollten.

Artikel 1 Änderung SGB V:

In einer Reihe von Vorschriften des Gesetzentwurfs soll geregelt werden, daß Entscheidungen von Gremien auf der Basis von "unabhängigem Sachverstand" bzw. dem "aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse" erfolgen müssen. Dies betrifft insbesondere § 20 "Gesundheitsförderung, Prävention, Selbsthilfe", § 23 (5) "Medizinische Vorsorgeleistungen", § 70 "Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit", § 92 "Richtlinien der Bundesausschüsse", § 92 a "Institut für die Arzneimittelverordnung," § 106(3) "Wirtschaftlichkeitsprüfung", § 136 "Verpflichtung zur Qualitätssicherung", § 137 "Qualitätssicherung bei zugelassenen Krankenhäusern", § 137 c "Bewertung von Untersuchung- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus", § 137 d "Qualitätssicherung bei der ambulanten und stationären Vorsorge oder Rehabilitation" und § 305 a "Information der Vertragsärzte".

Die AWMF begrüßt diese Orientierung der Entscheidungen ausdrücklich und stellt fest, daß der geforderte unabhängige Sachverstand und das Wissen um den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse stärker als in jeder anderen Institution in den in der AWMF zusammengeschlossenen Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften mit zusammen rund 150.000 Einzelmitgliedern aus allen Bereichen der wissenschaftlich betriebenen Medizin repräsentiert ist. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften verfügen bei der Darstellung des aktuellen "state of the art" auch über alle notwendigen internationalen Kontakte. Die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind unabhängig von wirtschaftlichen und berufsständischen Interessen und nur der Wissenschaft, Forschung und den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten verpflichtet. Der Gesetzgeber sollte daher auch im Gesetzestext darauf hinweisen.

In einigen weiteren Regelungsvorschriften des Gesetzentwurf wird der Begriff der "Leitlinie" eingeführt, insbesondere in den §§ 23 (5), § 40 (3) und 136. Der Gesetzestext unterläßt es jedoch, diesen Begriff näher zu definieren. Lediglich in der Begründung zu § 136 werden Leitlinien als "Handlungsanleitungen und Entscheidungshilfen bei der Durchführung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen" bezeichnet. Diese Interpretation geht weit über die international allgemein anerkannte Definition des Begriffs "Leitlinie" (basierend auf den grundlegenden Arbeiten des IOM und der AHCPR aus den USA) hinaus:

"Leitlinien sind systematisch entwickelte Darstellungen und Empfehlungen mit dem Zweck, Ärzte und Patienten bei der Entscheidung über zweckdienliche Maßnahmen der Krankenversorgung unter spezifischen medizinischen Umständen zu unterstützen.

Leitlinien geben den Stand des Wissens (Ergebnisse von Grundlagenforschung, klinischer Forschung und Wissen von Experten) über effektive und zweckdienliche Krankenversorgung zum Zeitpunkt der "Drucklegung" der Leitlinie wieder. In Anbetracht der unausbleiblichen Fortschritte wissenschaftlicher Erkenntnisse, der technischen Entwicklung und der Erfahrung müssen periodische Überarbeitungen, Erneuerungen und Korrekturen unternommen werden. Wo keine klinisch relevanten Ergebnisse von Kontrollierten Klinischen Studien vorliegen, wird der subjektive Einfluß der Experten durch formale Konsensus-Techniken minimiert.

Die Empfehlungen der Leitlinien können nicht unter allen Umständen zweckdienlich genutzt werden. Die Entscheidung darüber, ob einer bestimmten Empfehlung gefolgt werden soll, muß vom Arzt unter Berücksichtigung der beim individuellen Patienten vorliegenden Gegebenheiten und der verfügbaren Ressourcen getroffen werden."

Die in der AWMF zusammengeschlossenen Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften haben ihre bisher erarbeiteten Leitlinien strikt auf der Basis der international anerkannten Definition entwickelt. Die im Gesetzestext benutzte Ausdehnung des Begriffs der "Leitlinie" auf Handlungsanleitungen für die Durchführung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen würde diese international anerkannte Basis verlassen und den Leitlinien im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland ungerechtfertigterweise Richtliniencharakter verleihen.

Die AWMF fordert den Gesetzgeber daher auf, den Begriff der "Leitlinie" im Gesetz entweder nur im Sinne der international anerkannten Definition zu verwenden oder durch den Begriff der "Richtlinie" zu ersetzen, wobei dann zu benennen ist, welche Institution die Richtlinien zu erlassen und damit auch zu verantworten hat.

§ 65 a "Versichertenbonus in der hausärztlichen Versorgung" und § 76 "Freie Arztwahl":

Die AWMF hält es für verfassungsrechtlich zumindest bedenklich, wenn durch die Regelungen des § 65 a den Krankenkassen das Recht eingeräumt wird, den Patienten das im gleichen Gesetz verbriefte Recht auf die freie Arztwahl (§ 76) durch die Gewährung eines "Bonus" abzukaufen.

§ 34 a "Liste verordnungsfähiger Arzneimittel" und § 92 a Institut für die Arzneimittelverordnung

Die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in der AWMF begrüßen, daß die verfügbaren Arzneimittel hinsichtlich ihres therapeutischen Nutzens bewertet werden sollen, lehnen es jedoch kategorisch ab, daß nach Abs. (6) die "Kriterien für die Aufnahme von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen den Besonderheiten der jeweiligen Therapierichtung Rechnung zu tragen" haben. Es ist ein einheitlicher Bewertungsstandard für alle Arzneimittel anzuwenden.

§ 73 (1a) "Kassenärztliche Versorgung" und § 101 (5) "Überversorgung"

Die in § 73 (1a) getroffene Festlegung des Begriffs "Hausarzt" entspricht aus Sicht der AWMF nicht den tatsächlichen Notwendigkeiten der hausärztlichen Versorgung. So bleibt beispielsweise die Tatsache unberücksichtigt, daß jedem Facharzt bei der dauerhaften Betreuung chronisch Kranker eine Hausarztfunktion zukommt. Eine trennscharfe Unterscheidung von Haus- und Fachärzten existiert in der Realität nicht. Daher ist auch die Festlegung von starren Verhältniszahlen problematisch.

§ 113(1) "Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung der Krankenhausbehandlung"

Die Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit von Krankenhausbehandlungen soll durch die Verbände der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung gemeinsam veranlasst werden. Eine derartige Prüfung ist nur sinnvoll unter Einbeziehung von unabhängigem Sachverstand und unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse. Deshalb darf insbesondere für die Prüfung der Qualität nicht allein der Medizinische Dienst der Krankenversicherung beauftragt werden. Es ist sicherzustellen, daß bei der Prüfung der Qualität der Behandlung die zuständigen Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften einbezogen werden.

§ 115 b (1) "Ambulante OP und stationsersetzende Eingriffe"

Die Festsetzung eines "Katalogs von ambulant durchführbaren Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe" alleine durch die Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ohne ausreichende Berücksichtigung des medizinischen Sachverstands der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften ist gerade unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten höchst riskant. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, wenn er für die Festsetzung derartiger Kataloge ein konsensuales Verfahren aller Beteiligten festsetzen würde.

§ 116 a "Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser" und
§ 125 a "Versorgungsverträge mit ambulanten Rehabilitationseinrichtungen"

Universitätskliniken und Akademische Lehrkrankenhäuser müssen von den Einschränkungen der Ermächtigung zur ambulanten Versorgung auf "hochspezialisierte Leistungen" in § 116 a bzw. der Beschränkung der ambulanten Reha-Einrichtungen in § 125 a auf Einrichtungen mit Versorgungsverträgen nach § 111 ausdrücklich ausgenommen werden.

Um eine qualitativ hochwertige, an den Interessen der Patienten orientierte Ausbildung von Ärzten zu ermöglichen, brauchen Universitätskliniken und akademische Lehrkrankenhäuser einen repräsentativen Querschnitt von Patienten, um ihrer Verpflichtung zur Forschung und Lehre nachkommen zu können. Diese Krankenhäuser müssen generell eine allgemeine Ermächtigung zur ambulanten Behandlung erhalten, zumal der Gesetzentwurf es außerdem versäumt, die "hochspezialisierten Leistungen" näher zu definieren. Der von den genannten Institutionen festzulegende "Katalog der ambulant zu erbringenden hochspezialisierten Leistungen" birgt darüber hinaus die Gefahr, daß die Qualität der Diagnostik und Therapie von selten vorkommenden und schwierig zu diagnostizierenden Erkrankungen drastisch verschlechtert wird, wenn diesen Patienten der Zugang zu universitären Einrichtungen erschwert oder nicht ermöglicht wird.

§ 136 "Verpflichtung zur Qualitätssicherung"

Die in der AWMF zusammengeschlossenen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften entwickeln seit 1995 auf Anregung des Sachverständigenrats für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen Leitlinien. Daher ist zu fordern, daß in das im Gesetz vorgesehenen, für die "Anerkennung" von Leitlinien zuständige Gremium die AWMF eingebunden wird. Deshalb schlägt die AWMF folgende Änderung vor:

§136 (3) sollte lauten:

"(3) Die Leistungserbringer nach Absatz 2 haben bei der Leistungserbringung anerkannte Leitlinien für eine wissenschaftlich gesicherte, zweckmäßige und wirtschaftlich sinnvolle Diagnostik und Behandlung zu beachten; die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich und die Deutsche Krankenhausgesellschaft regeln das Verfahren ihrer Anerkennung. ..."

Begründung: Die Entwicklung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie erfolgt innerhalb und zwischen den wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften in einem mehrstufigen Prozeß Dieser Prozeß wurde in zahlreichen Konferenzen der AWMF erarbeitet. Die endgültige Fertigstellung der Leitlinien für die wichtigsten Krankheitsbilder und Gesundheitsprobleme erfolgt in der "Ständigen Leitlinien-Kommission" der AWMF (Clearingstelle der AWMF) auch unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Evidenzgrade. Der unabhängige Sachverstand und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Fachgesellschaften sind in das Verfahren der Anerkennung und der Implementierung der Leitlinien in das Gesundheitswesen auch förmlich einzubeziehen. Die AWMF ist daher an dem Gremium nach 5 136 (2) Satz 3 als volles Mitglied zu beteiligen.

§ 136 a (1) "Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen Versorgung"

Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen soll "durch Richtlinien nach § 92" ... "Kriterien für die Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, einschließlich diagnosebezogener Leitlinien für aufwendige medizinische Leistungen" bestimmen.

Der Gesetzestext unterscheidet auch hier Richtlinien und Leitlinien nicht sauber. Leitlinien werden von den Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften auf der Basis des aktuellen medizinischen Wissens erarbeitet. Die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind zur Sicherung des unabhängigen Sachverstands und der wissenschaftlichen Erkenntnisse in das Verfahren der Richtlinienentwicklung einzubeziehen.

§ 137 Qualitätssicherung bei zugelassenen Krankenhäusern und
§ 137 b Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin

Um den in § 137 (1) geforderten unabhängigen Sachverstand und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Qualitätssicherung einzubringen, ist die Beteiligung der in der AWMF zusammengeschlossenen Fachgesellschaften am Verfahren zur Qualitätssicherung bei zugelassenen Krankenhäusern unabdingbar. Die bisher in Deutschland erfolgreich durchgeführten Maßnahmen zur Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung basieren ausnahmslos auf den von den zuständigen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften erarbeiteten Modellen.

§ 137 b sollte daher lauten:

"Die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe treffen insbesondere zur Sicherung der Einheitlichkeit der Qualifikations- und Qualitätssicherungsanforderungen Vorkehrungen zur gegenseitigen Abstimmung durch Bildung einer Arbeitsgemeinschaft. ..."

§ 137 c "Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus"

Die AWMF begrüßt, daß die Durchführung von Klinischen Studien im jetzt vorliegenden Entwurf des Gesetzes von den Prüfungen durch den Bundesausschuß Krankenhaus ausdrücklich ausgenommen wird.

§ 294 "Pflichten der Leistungserbringer, Datenannahmestellen der Krankenkassen",
§ 301 "Krankenhäuser": Diagnosen- und Prozedurenschlüssel und
§ 303 a "Arbeitsgemeinschaften zur Datenaufbereitung"

Die AWMF begrüßt prinzipiell, daß ein Operationenschlüssel benutzt werden soll, der auch sonstige Prozeduren umfasst. Wenn gleichzeitig die Übermittlung von Diagnosen von der veralteten ICD-9 auf die aktuelle ICD-10 umgestellt wird, könnten die Daten für eine verbesserte Gesundheitsberichterstattung sowie für Versorgungs- und epidemiologische Forschung verwendet werden. Als Voraussetzung dafür müßten in die Arbeitsgemeinschaften zur Datenaufbereitung nicht nur die Krankenkassen, sondern auch Institutionen von Forschung und Wissenschaft integriert werden. Entsprechend den Regelungen von § 294 und § 303 liegen erstmals anstelle von Falldaten echte Personendaten vor, die jedoch nur unter Einhaltung eines sorgfältigen Datenschutzes und mit wissenschaftlicher Begleitung und Kontrolle den Zwecken von § 303 a (2) Satz 6 dienen können. Die AWMF schlägt daher vor:

  • Institutionen der Forschung und Wissenschaft werden in die zu gründenden Arbeitsgemeinschaften zur Datenaufbereitung integriert, um den in § 303 a in Verbindung mit § 294 SGB V vorgesehenen Übergang von fallbezogenen auf versichertenbezogene Daten mit den damit verbundenen wesentlich erweiterten Auswertungsmöglichkeiten wissenschaftlich zu begleiten. Die AWMF bietet hierfür den wissenschaftlichen Sachverstand ihrer Fachgesellschaften an.
  • Wissenschaftlichen Instituten wird der Zugang zu den Versichertendaten geöffnet, um eine unabhängige Auswertung zu gewährleisten. Über den Zugang der Institute und über die zu bearbeitenden Fragestellungen entscheiden fachkompetente und unabhängige Kommissionen, um eine mißbräuchliche Verwendung der Daten zu verhindern.
  • Die datenschutzrechtlichen Regelungen sind entsprechend der seit Oktober 1998 geltenden Europäischen Richtlinie festzulegen. Die zentral erfaßten und gespeicherten Patientendaten müssen gegen den Zugriff Dritter (z.B. Strafverfolgungsbehören) in gleicher Weise geschützt sein wie beim Arzt, der die Daten zuerst erhoben hat.  

Artikel 4 Änderung Krankenhausfinanzierungsgesetz:

§ 9 (6) "Finanzierung von Investitionen" und
§ 17 c "Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems"

Die AWMF befürwortet prinzipiell die Einführung eines leistungsgerechten, pauschalierenden Entgeltsystems, wobei die Berücksichtigung von Komplexitäten und Comorbiditäten ausdrücklich begrüßt wird. Die Ausgestaltung erfordert jedoch eine intensive wissenschaftliche Begleitung, die beim bisherigen Fallpauschalensystem nur sehr mangelhaft ausgestaltet war. Es besteht die Gefahr, daß durch ein ausuferndes bürokratisches System der Anteil der Verwaltungskosten gegenüber den Kosten von Diagnostik und Therapie stark ansteigt. Die Erfahrungen aus den USA, wo derzeit die Fallkosten der DRGs doppelt so hoch liegen wie vergleichbare Behandlungskosten in Deutschland, zeigen, daß ein neues Entgeltsystem sorgfältig vorbereitet, exemplarisch erprobt und wissenschaftlich evaluiert werden muß, um negative Auswirkungen verhindern zu können. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Zeiträume zur flächendeckenden Einführung sind dafür zu knapp bemessen.

Die vorgeschlagene Regelung, den Investitionskostenanteil der pauschalierenden Entgelte für Universitätskliniken nicht auszuzahlen, setzt voraus, daß die Bundesländer weiterhin in vollem Umfang die notwendigen Investitionen für Hochschulkliniken tragen. Die AWMF befürwortet die vorgesehene Regelung nur unter dieser Voraussetzung. Die derzeitigen Bemühungen der Bundesländer, die Hochschulkliniken in neue Rechtsformen und Finanzierungsmodelle zu überführen, laufen diesen Intentionen allerdings entgegen - mit der Folge, daß Universitätskliniken unter monistischer Finanzierung erhöhte Investitionsanteile fordern müssen, um ihrem Auftrag für Forschung, Lehre und Krankenversorgung (Krankenhäuser der Maximalversorgung) gerecht werden zu können.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß an den Universitätskliniken Krankenversorgung und notwendige klinische Forschung (z.B. auch zur Entwicklung und Begründung von Leitlinien) nicht getrennt werden können. Daher sollten Universitätskliniken für diese Zwecke einen adäquaten Bonus auf die pauschalierenden Entgelte erhalten können.

Artikel 21 Informationssystem zur Bewertung medizinischer Technologien

(1) + (2) DIMDI, Kuratorium und wissenschaftlicher Beirat

Die AWMF begrüßt ausdrücklich, daß beim DIMDI ein zentrales Informationssystem für die Bewertung medizinischer Verfahren und Technologien eingerichtet werden soll. Die Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind bereit, das DIMDI - wie in der Vergangenheit in Fragen der Klassifikation - mit kompetenten Sachverständigen bei der Erfüllung dieser Aufgabe zu unterstützen. Die AWMF fordert das BMG gleichzeitig auf, dem DIMDI für die Erfüllung der neuen Aufgabe ausreichend Personal- und Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Die AWMF schlägt vor, Artikel 21 Abs. (2) wie folgt zu fassen:

"Für den Aufgabenbereich nach Absatz 1 wird beim DIMDI eine Geschäftsstelle gebildet. Zur Unterstützung der Bewertung medizinischer Technologien beruft der BMG ein Kuratorium und eine unabhängige wissenschaftliche Kommission. In das Kuratorium werden vom BMG Vertreter von Institutionen des Gesundheitswesens berufen, die mit Fragen der Technologiebewertung in der Medizin befaßt sind."

Die AWMF erwartet, bei den weiteren Beratungen im Ministerium, dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat intensiv beteiligt zu werden und steht als Arbeitsgemeinschaft von 121 Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften mit ihren Sachverständigen dafür zur Verfügung.

Der Präsident der AWMF, Prof. Dr. med. Hans Reinauer und die AWMF-Präsidiumsmitglieder Prof. Dr. med. Klaus-Henning Usadel und Prof. Dr. med. Jürgen von Troschke haben diese Stellungnahme der AWMF am 17. August 1999 der Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer in Bonn persönlich überreicht und näher erläutert.

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